Walle! walle*

Ausgehend von einer intensiven Beschäftigung mit Goethes Weimarer Wohnhaus, seinen Sammlungen und der Italienischen Reise hat Danica Dakić, derzeit Rompreisträgerin der Villa Massimo, gemeinsam mit den von ihr eingeladenen Künstler*innen Arijit Bhattacharyya, Diana Pacelli, Farzane Vaziritabar und Lea Maria Wittich ein Ausstellungsprojekt in Weimar und Rom erarbeitet. Die beteiligten Künstler*innen aus Deutschland, Indien, Iran und Italien haben aus der eigenen künstlerischen Perspektive ortsspezifische Installationen entwickelt, die die Verbindungen zwischen den beiden Goethe-Orten aufspüren und dabei neue Formen von Kunst als Wissensproduktion erforschen.

Walle! walle* greift den Zauberspruch aus Goethes Ballade Der Zauberlehrling auf, um vor dem Hintergrund der aktuellen globalen Herausforderungen den Wechselbeziehungen von menschheits- und naturgeschichtlicher Zeitlichkeit nachzugehen: Welche Macht hat Kunst in Zeiten existenzieller Bedrohung, wie sie in unserer Gegenwart auf vielen Ebenen weltweit spürbar ist? Welche Macht hat sie angesichts der dramatischen Folgen der Zerstörung der Natur, in sozialen und politischen Krisen, in der Erschütterung vermeintlicher Gewissheiten durch Verweise auf Rassismus, Kolonialismus oder Geschlechterhierarchien?

Danica Dakićs neue Arbeit ist eine filmische Erzählung über eine (utopische) Italienreise, die sich zwischen Goethes leergeräumter Bibliothek in seinem Weimarer Wohnhaus und einer Vulkan-Bildkulisse aus dem Puppentheater seines Sohns August, zwischen zwei kindlichen Protagonistinnen in Weimar und Rom, zwischen Vergangenheit und Zukunft entfaltet.

Ausgehend vom Garten Goethes, in dem Spargel angebaut wurde, untersucht Arijit Bhattacharyya die Herkunft im Kolonialismus und die Produktionsbedingungen des in Deutschland auch heute noch beliebten Gemüses. Diana Pacelli hat sich selbst von Weimar Richtung Italien auf die Reise gemacht. In ihrer Performance geht sie zu Fuß von Buchenwald nach Fossoli, also von einem Lager in Deutschland zu einem Lager in Norditalien, beide aus der Zeit des NS. Mit Bezug auf den west-östlichen Diwan versetzt Farzane Vaziritabar die Büste der Juno Ludovisi, die in Weimar und Rom als Kopie steht, in den Iran. Lea Maria Wittich erweitert hingegen die geologische Sammlung Goethes um einen fiktiven Teil, der Goethes Italienreise mit der Wirkungsmacht der Geologie verbindet.

*aus „Der Zauberlehrling“ von J.W. von Goethe. Bedeutung von wallen: 1) in Bezug auf Flüssigkeiten: sich heftig bewegen2) über Stoff, Haare, gehoben: in Wellen und Wogen sich bauschend herabhängen; Begriffsursprung: mittelhochdeutsch wallen, althochdeutsch wallan (belegt seit um das Jahr 800) < germanisch *wallan < indoeuropäische Wurzel *u̯el(ə)-, *u̯lē- „drehen, winden, wälzen“

Beteiligte Künstler*innen:

Danica Dakić, *1962 in Sarajevo, Rompreisträgerin der Villa Massimo 2022/23, ist Professorin an der Kunstakademie Düsseldorf. Sie arbeitet mit Fotografie, Video und Film – häufig auch mit performativen und partizipativen Prozessen – und schafft Bilder, die das kulturelle Gedächtnis und Identität, Sprache und Rollenbilder sowie Geschichte in ihrer ständigen Veränderung und in ihren utopischen Potenzialen befragen.

Arijit Bhattacharyya, *1994 in West-Bengal, Indien, ist ein Künstler und unabhängiger Kurator, der derzeit in Weimar lebt und arbeitet. Seine Werke sind Installationen, Textilarbeiten, Zeichnung und Malerei, Film, Performance, dabei vor allem Kochen. Er arbeitet auch im Kollektiv und bezieht häufig verschiedene lokale Gemeinschaften aus seinem sozialen Umfeld in Deutschland und seiner Heimat Indien ein.

Diana Pacelli, *1994 in Neapel, hat ihre künstlerische Ausbildung in Deutschland absolviert, wo sie seit mehr als 10 Jahren lebt. In ihren Installationen und Performances beschäftigt sie sich mit dem Menschen und seinen Handlungen als Reflexionen auf die Gesellschaft.

Farzane Vaziritabar, *1987 in Yazd, Iran, ist aktuell Gastkünstlerin am ZKM – Zentrum für Kunst und Medien. Ihre Arbeit umfasst Skulptur, Installation, Video, Performance, Cartoons und Zeichnungen, mit einem Schwerpunkt auf Erzählung, Identität, Ort und Raum.

Lea Maria Wittich, *1994 in Hannover, ist eine in Weimar lebende Künstlerin und künstlerische Forscherin. Ihre Praxis ist in handwerklichen und materiellen Prozessen verwurzelt, die sie als performative und relationale Praktiken begreift. In ihrer künstlerischen Arbeit reflektiert sie mit verschiedenen Medien Fragen der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit und der Koexistenz von menschlichen und nicht menschlichen Akteur*innen.

Eine Ausstellung des Museums Casa di Goethe mit der Klassik Stiftung Weimar und der Deutschen Akademie Rom Villa Massimo.

Sander Sardinien 1927

Das in Köln gezeigte Ausstellungsprojekt präsentiert 40 wenig bekannte Fotografien und seltene Autochrome von August Sander (1876-1964), die aus rund 300 Negativen ausgewählt wurden, welche der Fotograf im Frühjahr 1927 auf Sardinien aufgenommen hat.

In dieser Reportage begegnet August Sander der Insel mit der Haltung eines Dokumentarfilmers. Es ist sein erster längerer Auslandsaufenthalt in einem Land, dessen Sprache er nicht kennt. Mit dem Blick des Auswärtigen fängt er Sardinien im Angesicht der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts ein.

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Mit seinem Zeugnis gelingt eine zeitlose Erzählung, wobei das auf mysteriöse Weise unveröffentlicht gebliebene Projekt,  von einer außergewöhnlichen Modernität geprägt ist.

Diese Ausstellung wird von den Italienischen Kulturinstituten Köln, Straßburg, Hamburg und Montreal organisiert. Die Leihgaben stammen von Der Photographischen Sammlung / SK Stiftung Kultur – August Sander Archiv, Köln. Kurator der Ausstellung ist Florent To Lay.

Informationen: iiccolonia.esteri.it

Roma chiede - Rom fragt - Rome asks - Rome demande

Wir alle tragen Fragen in uns, zu allen Zeiten und in allen Kulturen. Doch welche sind für uns heute die wirklich wichtigen Fragen? Das Projekt „Roma chiede - Rom fragt“ macht diese Fragen sichtbar.

Nach Sokrates geschieht das Philosophieren im Dialog: Fragen stellen, um zu erkennen; ins praktische Leben eintauchen, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Diese sokratische Methode haben die Schülerinnen und Schüler der Deutschen Schule Rom zu einem besonderen Projekt inspiriert. Sie verlassen das Klassenzimmer und gehen dahin, wo die Philosophie am lebendigsten anzutreffen ist: in die Stadt, hinein nach Rom. Hier haben sie mit den Römern und Römerinnen gesprochen, um herauszufinden, welche philosophischen Fragen diese im Hier und Jetzt bewegen.

Mit dem Projekt "Roma chiede - Rom fragt" stellt das Museum Casa di Goethe in Kooperation mit der Deutschen Schule Rom ein innovatives Ausstellungsprinzip vor und bezieht einen neues Publikumsspektrum in die museale Erfahrung ein. Die jungen Schülerinnen und Schüler haben die Plakate eigens für die Ausstellung in der Casa di Goethe geschaffen und werden somit zum aktiven Teil dieser künstlerischen und kulturellen Realität im historischen Zentrum Roms.

Italien vor Augen. Frühe Fotografien ewiger Sehnsuchtsorte

Auf dem Canal Grande schippernde Gondolieri, der Schiefe Turm von Pisa oder die Altertümer Roms: Zahlreiche Fotografien von Giorgio Sommer, dem Unternehmen der Gebrüder Alinari, Carlo Naya oder auch Robert Macpherson prägten das Bild von Italien als Sehnsuchtsort. Das Städel Museum präsentiert vom 23. Februar bis 3. September 2023 eine Auswahl früher Italienfotografie. Die Ausstellung versammelt insgesamt 90 bedeutende Aufnahmen der Jahre 1850 bis 1880 aus der eigenen Sammlung. Es ist eine fotografische Tour entlang der bekanntesten Routen mit den Stationen Mailand, Venedig, Florenz, Rom und Neapel.

Seit Generationen träumen sich die Menschen nach Italien: Das mediterrane Klima, die facettenreiche Natur und die vielfältige Kultur machten das Land schon früh zu einem bevorzugten Reiseziel. Als mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecken in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein reger Tourismus entstand, eröffneten an den Orten mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Fotografenstudios. Für Reisende wurden die dort angebotenen Aufnahmen noch vor Erfindung der Bildpostkarte zu einem beliebten Souvenir, das auch per Versandhandel international vertrieben wurde. Bereits in den 1850er-Jahren erwarb der damalige Direktor Johann David Passavant Fotografien für die Sammlung des Städel Museums. Sowohl das kunstinteressierte Publikum als auch die Schüler der angegliederten Kunstakademie sollten sich anhand der Abzüge eine Vorstellung vom Süden Europas und seinen Kunst- und Naturschätzen machen. Damit rückte die Ferne näher und gleichzeitig bestimmten die im Umlauf befindlichen Motive, was als sehenswürdig zu erachten ist. Noch heute wirken die Szenerien von damals fotografisch nach.

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Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums über die Ausstellung: „‚Italien vor Augen‘ lädt zu einer fotografischen Reise ein: von Mailand über Venedig und Florenz bis nach Rom und Neapel. Zugleich gibt die Schau einen Einblick in die Geschichte der fotografischen Sammlung des Städel Museums: Der damalige Direktor Johann David Passavant erkannte früh die Möglichkeit, durch das Medium der Fotografie Kunstwerke und Kulturschätze uneingeschränkt zugänglich zu machen. Damit führte er die Leitidee unseres Museumsgründers, Johann Friedrich Städel, vortrefflich fort.“

Kuratorin: Dr. Kristina Lemke (Sammlungsleiterin Fotografie, Städel Museum)

Informationen: www.staedelmuseum.de

Fotos: 1) Enrico Van Lint (1808–1884): Pisa: Schiefer Turm, um 1855, Albuminpapier auf Karton, 14,5 x 10,9 cm (Städel Museum, Frankfurt am Main), 2) Ausstellungsansicht (Städel Museum – Norbert Miguletz)

 

Italiae. Von den Archivi Alinari zu den Meistern der zeitgenössischen Fotografie

In Don Quijote erzählt Cervantes von einem jungen Mann, der nach Spanien zurückkehrt, nachdem er „als Soldat in den verschiedenen Italien war (nelle Italie)“.

Die verschiedenen Italien, viele Italien. Ein pluralistisches Italien, auf das sich im Laufe der Zeit der Blick von Fotografen gerichtet hat, die darauf bedacht waren, die komplexen Identitäten des Landes, seine Traditionen wie auch die subtileren Entwicklungslinien wiederzugeben.

"Italiae. Von den Archivi Alinari bis zu den Meistern der zeitgenössischen Fotografie" erzählt vom Charme und der Vielfalt Italiens, seiner Landschaften und seiner Menschen. Eineinhalb Jahrhunderte Geschichte in einer Anthologie von Aufnahmen, die den Reichtum des Landes und gleichzeitig die große Vitalität der italienischen Fotografie bezeugen.

Kuratiert von Rita Scartoni und Luca Criscenti.

Eine Initiative des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit, produziert von Fratelli Alinari Idea S.p.A.

Elegante Begegnungen. Rosalba Carriera – Perfektion in Pastell

Anlässlich des 350. Geburtstages von Rosalba Carriera (1673–1757) widmet die Gemäldegalerie Alte Meister der bekanntesten Pastellmalerin eine eigene Ausstellung. Es werden über 100 Objekte präsentiert, darunter rund 70 Werke der Porträtistin, die als eine der ersten Künstlerinnen europaweit Erfolge feierte.

Mit 73 Pastellen besitzt Dresden das weltweit größte Konvolut der Venezianerin. Unter August III. befanden sich noch mehr als doppelt so viele Werke der Carriera im Bestand der Galerie und 1746 wurde im Johanneum nahe der Frauenkirche sogar ein eigenes Pastellkabinett eingerichtet und nach ihr benannt.

Die Pastellmalerei galt damals noch als eine vergleichsweise junge Gattung. Carriera war maßgeblich daran beteiligt, dass diese Technik zu einer geschätzten Art der Malerei wurde. Wie gefragt die Künstlerin war, zeigen die vielen Bildnisse von Fürsten der regierenden Herrscherhäusern Europas. Sie hielt aber auch Literaten, Musiker und Tänzerinnen ihrer Heimatstadt Venedig bildlich fest; ein Besuch bei ihr zählte zudem zum festen Programm der zahlreichen Reisenden durch Italien. So stellen die Porträts den größten Teil in ihrem Œuvre dar.

Carrieras Pastelle sind Zeugnis der Schönheitsideale des Rokoko, deren Kosmetik vom Puder bestimmt war: blasse, ebenmäßige Haut, gepuderte Haare und Perücken. In den pulvrigen Oberflächen der Pastellmalerei spiegelt sich diese Mode wider und bringt uns so diese längst vergangene Epoche näher. In Kooperation mit dem Studiengang Theaterdesign/Maskenbild der Hochschule für Bildende Künste Dresden illustrieren die Studierenden in einem Projekt die Maquillage des 18. Jahrhunderts, die so in der Ausstellung zu neuem Leben erweckt wird.

Die künstlerische Anfänge Carrieras liegen in der Miniaturmalerei, da sie in diesem Feld wenig Konkurrenz von männlichen Malerkollegen zu befürchten hatte. 1705 ernannte die Kunstakademie San Luca in Rom sie zu ihrem Mitglied. Diese hohe Auszeichnung wurde nur wenigen Frauen zuteil, zumal ihnen eine akademische Ausbildung noch lange verwehrt blieb. Auch die Accademia Clementina in Bologna nahm sie als Mitglied 1720 auf, und ein Jahr später die Académie Royale in Paris.

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Die Ausstellung zeigt über 100 Exponate und führt das Publikum zunächst in die Lagunenstadt Venedig, mit Ansichten des Canal Grande, wo Carriera ihren Wohnsitz hatte. Zu endecken gibt es neben den Pastellmalereien auch typisch venezianische kunsthandwerkliche Erzeugnisse wie Glas, Spitze und feines Tuch.

Ergänzend zur Schau richtet eine konzentrierte Kabinett-Ausstellung mit dem Titel „Aus dem Schatten. Künstlerinnen vom 16. bis 18. Jahrhundert“ den Blick auf weitere Künstlerinnen vom 16. bis 18. Jahrhundert, die bislang eher ein Schattendasein neben den großen Namen der Kunstgeschichte führen. Oft waren es Töchter berühmter Meister, die eine Ausbildung in der Werkstatt ihres Vaters absolvierten und sich so in einem damals von Männern dominierten Berufsfeld behaupten konnten. Werke von Lavinia Fontana, Marietta Robusti, gen. La Tintoretta, Theresa Concordia Maron, geb. Mengs und Angelika Kauffmann werden in den Fokus gerückt.

Informationen: gemaeldegalerie.skd.museum

Abb.: 1) Rosalba Carriera, Selbstbildnis als Winter, 1730/31, Pastell auf Papier, 46,5 x 34 cm, 2) Rosalba Carriera, Eine Dame in blauem Mantel über hellem Kleid, Pastell auf Papier, 75,5 x 64 cm © Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Elke Estel/ Hans-Peter Klut

Archipelago

Archipelago ist ein Forschungsprojekt, das 2018 mit dem Ziel entsteht, die Unterschiedlichkeit der Inseln des Mittelmeers zu dokumentieren, wobei alle Inselgruppen und besonders die bewohnten Inseln Beachtung finden. Dabei erforscht es den Zusammenhang zwischen den Landschaften mit ihren Häusern und Architekturen zwischen Land und Meer.

Archipelago stellt die Inseln des Mittelmeerraums zusammen wie Perlen einer einzigen, außergewöhnlichen Kette.

Corinna Del Bianco ist Post Doctoral Researcher und Dozentin für Städtebau am Politecnico von Mailand. Sie führt Dokumentationen und Analysen zur kulturellen Identität von Orten durch. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Wohnkultur in selbst geschaffenen städtischen Umgebungen. Seit 2016 forscht sie selbständig, kuratiert und lehrt in den Bereichen Architektur und Städtebau. Neben ihrer Forschungstätigkeit realisiert sie Fotoreportagen zu lokalen Kulturlandschaften. Sie ist Gründungsmitglied und Berater der Stiftung Romualdo Del Bianco, die seit 1998 dem interkulturellen Dialog verpflichtet ist. Mehr darüber unter www.corinnadelbianco.com.

Die Ausstellung ist bis zum 2. Juni 2023 zu den Öffnungszeiten des Instituts zu sehen, d.h. montags bis donnerstags von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, freitags von 10 bis 13 Uhr und abends während der Kulturveranstaltungen.

Vernissage am 2. Februar um 19 Uhr in Anwesenheit der Künstlerin.

Muse oder Macherin? Frauen in der italienischen Kunstwelt 1400 – 1800

Die Sonderausstellung des Berliner Kupferstichkabinetts beleuchtet mit rund 90 Werken das Leben und Wirken von Frauen wie Rosalba Carriera, Artemisia Gentileschi, Elisabetta Sirani, Diana Scultori, Isabella d’Este, Christina von Schweden und anderen, deren Werke, Schicksale und enormer Einfluss auf die Kunstwelt ihrer Zeit heute teilweise vergessen sind.

In Renaissance und Barock stellten sie mit ihrer Kunst ihre Väter, Brüder und Männer in den Schatten, schufen und sammelten Werke, die in ganz Europa begehrt waren, wussten, sich zu vermarkten und Netzwerke aufzubauen. Bei den Protagonistinnen der Ausstellung handelt es sich um Künstlerinnen, die begehrte Werke geschaffen haben, aber auch um Ehefrauen, die ihre Männer unterstützt und ihnen als Modell gedient haben, um Mäzeninnen und Auftraggeberinnen, die Kunst bestellt sowie Künstler*innen gefördert haben, um Bewahrerinnen und Sammlerinnen, die Werke aufgehoben und weitergegeben haben.

Dabei soll nicht nur ihre Kunst gezeigt, sondern, soweit bekannt, auch etwas über die Lebensumstände dieser Frauen erzählt werden. Es wird thematisiert, welchen Einfluss das Frausein auf ihre Rolle in der Kunstwelt hatte, ob sie heirateten und Mütter wurden und welche Strategien sie verfolgten, um sich in der Männerwelt, die die Kunstwelt im betrachteten Zeitraum war, zu behaupten, so dass es uns möglich ist, heute noch Spuren ihres Wirkens in der Sammlung des Kupferstichkabinetts zu finden.

Die vielfältige und aktive Rolle von Frauen in der italienischen Kunstwelt vor 1800 wird in Zeichnungen und Druckgraphiken aus der unerschöpflichen Sammlung des Kupferstichkabinetts sowie einigen besonderen Leihgaben anschaulich. Das Jugendgremium der Staatlichen Museen zu Berlin, Achtet AlisMB, bringt dabei in einigen Interventionen in Ausstellung und Katalog den Blick einer jüngeren Generation auf das aktuelle Thema mit ein.

Die Ausstellung wird kuratiert von Dagmar Korbacher, Direktorin des Kupferstichkabinetts.

Informationen: www.smb.museum

Abb.: Rosalba Carriera: Selbstbildnis der Künstlerin, Detail, 1707/1708, Rötel auf beigefarbenem Papier ( © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Jörg P. Anders)

Michelangelo und die Folgen

Michelangelo, einer der Hauptmeister der Renaissance, und die Wiedergabe des menschlichen Aktes stehen im Zentrum dieser großen Ausstellung. Die Kunst des Zeichners, Malers und Bildhauers Michelangelo Buonarroti fasziniert vor allem durch die Kraft und Monumentalität der von ihm dargestellten Körper: Sie sind voller Energie und erfüllt von heftigen Emotionen, transportieren aber auch innere Spannungen und Konflikte.

Wie kein Anderer steht Michelangelo stellvertretend für das neue Körperverständnis der italienischen Renaissance: Die Wiederentdeckung des Körperideals der römisch-griechischen Antike führt zu bahnbrechenden Neuerungen bei der Darstellung der menschlichen Anatomie, von Proportion, Umriss und Volumen, von Verkürzung, Überschneidung und Bewegung. In den Ateliers und Kunstakademien wird das Studium des – zunächst nur männlichen – nackten Körpers zur Grundlage der Ausbildung.

Michelangelo selbst zeichnete kaum eine nackte Frau, sondern verlieh männlichen Körpern eine feminine Anmutung. Erst allmählich ersetzt auch beim weiblichen Akt der Blick auf die Natur das Antikenstudium. Michelangelos neues Figurenideal, seine Kraft des Ausdrucks sowie sein Streben nach Schönheit und Perfektion inspirierten nicht nur Künstler aus seinem unmittelbaren Umkreis, sondern auch nachfolgende Generationen.

Mit einer höchstkarätigen Werkauswahl vom 15. bis ins 21. Jahrhundert zeichnet die Ausstellung anhand unterschiedlichster Themenbereiche die vielen Möglichkeiten zur Auslotung des menschlichen Aktes nach. Von den eindrucksvollen Zeichnungen Michelangelos und seines Kreises aus der ALBERTINA spannt sich der Bogen über das biblische erste Menschenpaar Adam und Eva und den gemarterten Jesus Christus zu antiken Helden und Göttern, von Anatomie- und Atelierstudien über mathematisch konstruierte Idealkörper und deren Gegenentwürfe bis zu sinnlichen Frauenfiguren und zur Neuinterpretation des Aktes in der Moderne.

Weitere Informationen: www.albertina.at

Abb.: Egon Schiele: Grimassierendes Aktbildnis, 1910, Bleistift, Kohle, Pinsel, Deckfarben mit proteinhaltigen Bindemitteln (ALBERTINA, Wien)

Sofonisba Anguissola. Porträtistin der Renaissance

Vom 12. Februar bis zum 11. Juni 2023 organisiert das Rijksmuseum Twenthe in Zusammenarbeit mit dem dänischen Nivaagaards Malerisamling die erste monografische Ausstellung über Leben und Werk der italienischen Renaissancemalerin Sofonisba Anguissola (um 1532-1625) in den Niederlanden. Anguissola war eine der talentiertesten Porträtmalerinen des italienischen 16. Jahrhunderts. Durch geschickte Karriereschritte kommt sie dem Wunsch des Adels nach, sich zu verewigen, und gelangt Ende des 16. Jahrhunderts in die inneren Kreise der spanischen Königsfamilie.

Sofonisba Anguissola ist eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Renaissance und von ihren Zeitgenossen für ihr Talent und ihre Kreativität gelobt. So schreibt Giorgio Vasari, der berühmte italienische Künstlerbiograph, in seinem Werk „Le vite de' più eccellenti pittori, scultori e architettori“ von 1568, dass die Figuren in Anguissolas Porträts so lebensecht wirken, dass sie zu atmen scheinen. Dieses Kompliment wurde häufiger gemacht, war aber bisher Vorgängern und Kollegen, wie Jan van Eyck oder Leonardo da Vinci, vorbehalten. Auch Michelangelo Buonarroti lobte Anguissola in einem Briefwechsel mit ihrem Vater, Amilcare Anguissola, für die Art und Weise, wie sie in ihren Zeichnungen die Emotionen der Trauer einfängt. Vasari schreibt dazu, dass es nichts Schöneres und Lebensechteres gibt als die Figuren auf dieser Zeichnung.

Auch in ihrem späteren Leben wurde Anguissola bewundert. Anthony van Dyck besucht sie in Sizilien. Er schreibt über diese Begegnung in sein Tagebuch und fügt eine Skizze von ihr hinzu. Laut dem italienischen Schriftsteller Filippo Baldinucci hat dieser bei seinem Besuch in Anguissola mehr über Malerei erfahren und aus seinen Gesprächen mit ihr gelernt als mit jedem anderen. In den Jahren nach ihrem Tod bleibt die Bewunderung für Anguissola ungebrochen. So wird sie vom Historiker Raffaele Soprani 1674 als „la più illustre Pittrice d'Europa“ – die berühmteste Malerin Europas beschrieben.

Für die Ausstellung im Rijksmuseum Twenthe wird der Lebensweg Anguissolas als Leitmotiv dienen. Ihr Leben ist durch drei Schlüsselmomente geprägt: ihre Kindheit und Erziehung in Cremona, ihre Zeit als Hofdame am spanischen Hof in Madrid und ihre letzten Lebensjahre in Sizilien und Genua. Anhand dieser drei verschiedenen Orte zeigt die Ausstellung die künstlerische Entwicklung der Künstlerin, angefangen bei den frühen Familienporträts bis hin zu den zurückhaltenden religiösen Darstellungen, die Anguissola in ihren letzten Lebensjahren schuf. Die Ausstellung wird auch einen Eindruck von den Lebensbedingungen im 16. Jahrhundert in Italien und Spanien vermitteln, indem sie Kostüme, Literatur und Musikinstrumente zeigt.

In ihrer eigenen Zeit wird Anguissola als ein Wunder beschrieben. Mit dieser Ausstellung will das Rijksmuseum Twenthe zeigen, wie sie zu einer anerkannten und gefragten Künstlerin wurde in einer Zeit, als dies nicht selbstverständlich war und es stark restriktive Vorstellungen über Frauen ihres Standes gab. Mit mehr als drei Vierteln des überlieferten Werks werden wir zeigen, wie innovativ sie war und wie sie sich zu einer der berühmtesten Porträtmalerinnen der italienischen Renaissance entwickelte.

Weitere Informationen: www.rijksmuseumtwenthe.nl

Abb.: Sofonisba Anguissola: Het schaakspel, ca. 1555, olieverf op doek (The Raczyński Foundation, Muzeum Narodowe w Poznaniu, Poznań)